Am 7. Dezember 2012 erschien die letzte Ausgabe der Financial Times Deutschland. Selbst ihre größten Kritiker werden zugeben müssen, dass es sich hier um ein richtig gut gemachtes Blatt gehandelt hat: saubere Recherche, stilsichere Schreibe, knackige Kommentare, guter Internet-Auftritt. Und selbst der Kulturteil war wirklich lesbar. Alles richtig gemacht und trotzdem pleite? Leider ja. Die Zeitung war angetreten in einer Zeit, als das Ende dieser Art von Journalismus bereits eingeläutet war. Schon im Jahre 2000 begann der aussichtslose Kampf der traditionellen Medien gegen einen permanenten Auflagenschwund. Nur wenige, Die Zeit, der Spiegel und einige Nischenblätter konnten sich dem bisher erfolgreich entziehen. Dass dies nur der Anfang des Endes einer Ära sein wird, muss inzwischen jedem klar sein. Alle Strategien, dies aufzuhalten zu wollen, waren bisher reine Rückzugstaktiken. Die Hoffnung, dass die gute alte Print-Schiene und mit ihr ein attraktives Verwertungsmodell wieder ins Laufen kommt, wurde nie wirklich aufgegeben. Trotz endloser Diskussionen über die Zukunft der Presse hat sich niemand so recht auf das neue Medium Internet wirklich eingelassen. Die Ironie der Geschichte ist, dass es nun zuerst ein Blatt getroffen hat, das sowohl mit seinem Internet-Auftritt als auch in seiner wirtschaftlichen Kompetenz tatsächlich zu den besten gehörte.
Auch der Nachruf der Wirtschaftswoche (FTD – Ich habe dich gern gelesen) kommt aus einem Blatt, dessen Situation, genauso wie die des Handelsblattes, nicht grundsätzlich anders ist. Die nun anstehende „Marktbereinigung“ bei den Wirtschafts- und Finanzblättern wie auch bei den Tageszeitungen ist weniger eine Chance für die Überlebenden als vielmehr eine Galgenfrist für alle.
News-Produktion nicht mehr Domäne einer Elite
Aber wie sieht angesichts dieser düsteren Perspektive die Zukunft des klassischen Qualitätsjournalismus nun aus? Wird man ihn über Online-Formate oder neue Bezahlmodelle retten können? Kaum vorstellbar in einer Zeit, in der viele Leser ihre News aus vielen Quellen, aus Zeitungen, Agenturen, diversen News-Portalen von Twitter, aus verschiedenen Foren und Communities beziehen können. Wenn Springer-Vorstandschef Döpfner die Verlage mahnt, die Preise für Online-Abonnements von Nachrichten anzuheben um den kostenlosen Nachrichtenfluss auszudünnen, ist das ein scheinheiliges Aufbäumen gegen einen Prozess, der nicht mehr aufzuhalten ist. Springer selbst glaubt nicht an dieses Verfahren. Der Verlag hat sich in großem Stil in Online-Formate einkauft, die mit Journalismus nichts mehr zu tun haben. Und nur dort verdient er online Geld.
Was aus der Perspektive der in Print-Produkte engagierten Verlage wie eine Tragödie aussieht, erweist sich aus der Sicht des Internet als Revolution. Die Schaffung und Verteilung von Informationen wird einer, mitunter sehr arroganten, Elite aus der Hand genommen. Das in heutiger Zeit sinnlose Herstellen, Bedrucken und Transportieren von Tonnen von Papier ist angesichts einer immer effizienter funktionierenden Online-Übertragung sowohl technisch als auch ökologisch sinnlos geworden.
Rezepte: Apple-Kult und Paywall
Es ist geradezu kindisch, wie sich die Chefredakteure mit den digitalen Medien auseinandersetzen. Sie hoffen auf Zahlungssysteme, von denen man seit zehn Jahren weiß, dass sie nicht funktionieren. Sie glauben sich nach wie vor in der Rolle der Meinungsmacher, obwohl heute kaum noch jemanden interessiert, welcher Meinung seine Zeitung ist. Sie zelebrieren wechselweise einen Vergöttlichung und eine Verteufelung der Online-Medien in der Hoffnung, dass entweder das eine oder das andere dem Überleben ihrer Zeitung behilflich sein wird. Apple-Produkte wie iPhone und iPad, werden zum Symbol der neuen Medienrezeption stilisiert, obwohl Apple hier die Marktführerschaft schon lange verloren hat. Journalisten werden allzu gern freiwillige Markenbotschafter. Selbst die Ausgabe der „Zeit“, die sich endlich mal diesem Thema widmet, bekommt es nicht hin, hier die wirklichen Trends zu diskutieren. Eine Sammlung von Glaubens- und Beschwörungssätzen von Leuten, die größtenteils immer noch sehr gut vom Print leben, kann jedenfalls nicht so recht als ernst zu nehmender Diskussionsbeitrag gelten. Zu dem über zehn Jahre alten Dualismus von Finanzierung durch Werbung und durch kostenpflichtige Inhalte ist nichts hinzugekommen. Die unzähligen Möglichkeiten, die das Internet bietet, den Leser an sich zu binden, haben sie nicht mal in Erwägung gezogen. Dieses Geschäft machen jetzt Facebook & Co. Vielleicht ein Reflex dessen, was sie ohnehin von ihrem Leser gehalten haben?
Die Schlüselfrage: Wer ist Publisher?
Doch zurück zur Ausgangsfrage, zu deren Erörterung sich die Print-Medien nun herablassen: Wird der Qualitätsjournalismus noch eine Chance haben? Die Zeitungen hatten früher die Oberhoheit über und den Alleinvertrieb des aktuellen geschriebenen Wortes. Dieses Monopol ist nun gebrochen. Wenn sie wirklich eine unverwechselbare Leistung für den Leser erbringen, können sie das jetzt beweisen. Sie müssen sich auch der Konkurrenz der bisher eher belächelten Blogger, Twitterer und Corporate Publisher stellen. Die Online-Werbebudgets der Unternehmen sind kontinuierlich gestiegen. Wenn die Zeitungen einbrechende Werbeeinahmen haben, kann man nur kommentieren: „Selber schuld“. Sie haben auf dem Weg von Print zu Online ihre zentrale Rolle als „Publisher“ verloren.
Heute gilt für die Werbeverkäufer die eiskalte Logik, ein guter Text ist, was ein guter Text bringt: viele Leser, viele Follower, viele Interessenten. So war es im Grunde auch früher. Eine Zeitung bekam soviel Werbeeinnahmen, wie sich Abonnenten gefunden haben, die bereit waren, für ihre Inhalte zu zahlen. Diese hängen heute aber nicht mehr an der Marke, dem gesamten Blatt, sondern dem einzelnen Beitrag. Man muss nicht mehr das ganze Buch kaufen. Damit wird jeder Text in ein Haifischbecken geworfen, in dem sich andere Haie mit vielleicht schärferen Zähnen tummeln. Guter Text ist, was guter Text bringt und nicht, was der Chefredakteur meint und schon gar nicht, was sich erwählte „Edelfedern“ an lauen Sommerabenden gern selbst gegenseitig erzählen.
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